Die Passage nach Maskat (German Edition) by Cay Rademacher

Die Passage nach Maskat (German Edition) by Cay Rademacher

Autor:Cay Rademacher [Cay Rademacher]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832182595
Herausgeber: DuMont Buchverlag
veröffentlicht: 2022-08-15T22:00:00+00:00


EIN GRAB IN DER WÜSTE

Beim Frühstück musterte Jung unauffällig seine Schwiegermutter, die eigentlich gar nicht seine Schwiegermutter war. Seit dreißig Jahren gab Marthe Rosterg ein fremdes Kind als das ihre aus. Dreißig Jahre, in denen Doras Anblick, ihre Stimme, ja die bloße Erwähnung ihres Namens für Marthe wahrscheinlich jedes Mal demütigend gewesen war. Jung erinnerte sich an die zahllosen kritischen Sätze, an die kalten Blicke – nun verstand er das alles. Ob Dora nach und nach verzweifelt war über die für sie unerklärliche Kälte dieser Frau, die sie für ihre Mutter hielt? Oder ob sie über ihre Herkunft im Bilde war und die bittere Komödie mitspielte, Mutter und Tochter aus angesehenem Haus, die perfekte Familie. Familie … Jung wurde bewusst, dass Ernst Rosterg Marthes einziges leibliches Kind war. Auch das erklärte manches.

Marthe Rosterg strich Butter auf den Toast, trank dann einen Schluck Tee, Earl Grey, der Duft schwebte über dem Tisch wie ein Flaschengeist, sie blickte niemanden an, sagte nichts. Kein Wort von einem Einbruch. Kein Wort über ein fehlendes Schmuckstück. Ob sie den Verlust noch gar nicht bemerkt hatte? Oder verschwieg sie ihn absichtlich?

Jung schreckte aus seinen Grübeleien auf, weil Lady Westmacott an ihren Tisch trat und sich zu ihm beugte. »Der Kapitän hat mich gerade darüber informiert, dass die Champollion bis zum Abend im Bittersee ankern muss. Wie es scheint, passiert ein britischer Flottenverband den Suezkanal, und die Schlachtschiffe Ihrer Majestät haben selbstverständlich Vorfahrt.«

»Wir hätten doch den Krieg gewinnen sollen.« Jung dachte an mindestens zwölf endlose Stunden, bewegungslos unter der Wüstensonne.

»Junger Mann, auch Sie profitieren vom Empire.« Die englische Lady lächelte. »Lord Carnavon war nämlich ein alter Freund meines Mannes, die beiden kannten sich seit ihrer Zeit in Eton. Ich kannte ihn auch, gewissermaßen besser, als ihm und mir lieb war. Poor old Herbert – seit seinem Autounfall hatte er ständig Schmerzen, er war Stammkunde in meiner Apotheke, wann immer er an der Côte d’Azur weilte. Well , jedenfalls habe ich über Herbert auch Howard Carter kennengelernt.«

»Den Howard Carter?!«

»Er leitet immer noch die Ausgrabungen am Grab des Tutanchamun. Ich habe ihm sofort telegraphiert, sobald mir unser Kapitän von der Verzögerung berichtet hat. Howard Carter hat schon geantwortet: Er wäre geehrt, wenn er uns zum Tee empfangen könnte. In Fayed gibt es Wagen, die uns zum Tal der Könige fahren würden. Der Kapitän stellt uns auch einige kräftige Matrosen zur Seite. Durch die Wüste streifen noch Hyänen und Schakale. Ist das nicht aufregend?«

»Wenn Sie einen Fotografen mitnehmen wollen …«, sagte Jung und konnte sich nun auch ein Lächeln nicht verkneifen.

»Sehen Sie: Wie gut, dass es das Empire gibt. Und die anderen?« Sie blickte in die Runde. »Ich habe mich schon unter einigen Mitreisenden umgehört. Es sind ein gutes Dutzend Plätze in den Limousinen frei. Mister Adams ist auch dabei.«

»Warum nicht?«, brummte Hugo Rosterg. »Ein bisschen Abwechslung kann nicht schaden.«

»Ich habe Kopfschmerzen«, erklärte seine Frau.

»Ich habe als kleiner Junge davon geträumt, Archäologe zu werden, wie Heinrich Schliemann«, meinte Lüttgen. »Danke, dass Sie uns diese einmalige Gelegenheit anbieten.«

Ernst Rosterg hielt es nicht einmal für nötig zu antworten.



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